Couragierte Frauen im Schatten des Krieges
14. Nov 2024
Bei leichten Schneeverwehungen kamen wir ins Pfarrheim von St. Vinzenz, wo uns die Psychoanalytikerin Frau Dr. Christa Schmidt die Geschichte ihrer Urgroßmutter Therese, ihrer Großmutter Maria und ihrer Mutter Sophie näher brachte.
Selbst hatte Frau Dr. Schmidt ihre Urgroßmutter Therese nicht mehr erlebt, aber ihre Großmutter Maria und ihre Brüder erzählten viele berührende Geschichten und lustige Streiche über ihre couragierte Mutter. Ihre Augen leuchteten dabei vor Freude. Eine höhere Schulbildung blieb der Urgroßmutter versagt, da ihr Vater meinte, sie täte besser daran, ihrer Mutter im Haushalt zu helfen. Viele Aufs und Abs musste sie in ihrem Leben durchmachen. Das fing schon bei der Heirat an, die die Schwiegermutter nicht guthieß und ihren Sohn daraufhin enterbte. Sie gebar 17 Söhne und eine Tochter, die Großmutter Maria. Sie spielte gerne mit ihren Kindern, erzählte ihnen ihre Geschichten und betonte in ihren Erzählungen das Gute im Menschen, die Nächstenliebe, die Bereitschaft sich für die Schwachen und Hilflosen einzusetzen.
Tochter Maria wurde Sängerin an der Münchner Volksbühne. Sie reiste mit ihrem Chor durch Europa und schwärmte noch Jahrzehnte später von ihren Verehrern. Der Erste Weltkrieg beendete ihre Karriere. Die Urgroßmutter und ihr Mann konnten es nicht fassen, dass die Münchner sich so auf den Krieg freuten. Sie selbst lehnten ihn völlig ab und hatten Angst davor. Trotz aller Warnungen zogen die Söhne dann doch in den Krieg.
Die Erlebnisse im Krieg wirkten nach. Brüder der Großmutter wurden Kommunisten. Dafür wanderten sie später ins KZ. Sie selbst heiratete auch hier wieder gegen den Willen der Schwiegermutter einen Sanitäter, der das Leid aus dem Lazarett in die Familie mitbrachte.
Als die Nazis an die Macht kamen war es die Großmutter Maria, die die Münchner nicht mehr verstand. Wie konnten die Münchner mit ihren jüdischen Mitbürgern auf einmal so umgehen? Wie konnten Freundschaften so schnell zerbrechen?
Sophies Bruder wurde als Arzt nach Russland eingezogen. Seine Schilderungen ähnelten denen seines Vaters aus dem Lazarett während des Ersten Weltkriegs. Sie lernte im Krieg den Opernsänger Franz kennen. Dieses Mal war es der eigenen Vater, der die Hochzeit verhindern wollte, da er Angst hatte, dass sie mit dem Wehrdienstverweigerer und Nazigegner unglücklich werden würde. Und schließlich erlebten die Großeltern mit den Kindern die Bombardierung des eigenen Hauses, die sie im Keller überlebten.
Die tiefen, unerschütterlichen familiären Bindungen waren wohl der Boden, auf dem Vertrauen und viele Fähigkeiten der Ahninnen von Frau Dr. wuchsen. Besonders wichtig erschien ihr die spürbare Liebe der Paare zueinander sowie der Eltern zu ihren Kindern und Enkeln. Daneben war auch immer eine große Lebensfreude zu spüren. Feste wurden gefeiert, man sang, tanzte und spielte. Großmutter und Mutter Sophie entfalteten kulturelle Interessen, wie Musik hören, Theater- und Opernbesuche und mochten gute Literatur. Dazu kam die Verbindung und die Liebe zu Natur, die durch allen Generationen besonders ausgeprägt war.
Die Erzählungen unterstrichen Sabine Hübner, Flöte und Dr. Christian Leyh, Gitarre mit getragenen am Ende mit heiteren Tönen.
Zu diesem Thema hat Frau Dr. Schmidt das Buch Liebe in wirren Zeiten – Eine
Münchner Familienbiografie unter dem Namen Christa Baum veröffentlicht.
MArtin Pilgram