Friedens- und Sicherheitskonferenz 2025
24. Feb 2025
München – ein Wintermärchen
In München fiel am diesem Wochenende Schnee. Und es war ziemlich kalt. Vom 14. bis 16. Februar 2025 fand in München die Internationale Friedenskonferenz statt. Zu Gast waren prominente Redner*innen: Mit Heribert Prantl (Journalist und Staatsrechtler), Prof. Hanne-Margret Birckenbach (Friedensforscherin), Kerem Schamberger (Medico international), Francesca Albanese (UN-Sonderberichterstatterin für die palästinensischen Gebiete) und Gershon Baskin (Unterhändler zwischen Israel und der Hamas) saßen Vertreter*innen verschiedenster Perspektiven zu Friedenspolitik und Friedenslogik auf dem Podium.
„Fundamente des Friedens oder Wie geht Frieden?” lautete das große Thema der Konferenz. Prantl zitierte aus der Präambel des Grundgesetzes, das aus der Motivation entstanden ist, „dem Frieden der Welt zu dienen“ und verwies zugleich darauf, dass dies leider keine rechtssichere Verbindlichkeit in den weiteren Artikeln erfahren habe. Der Wille sei klar gewesen, den Krieg als Mittel der Politik zu verbieten. Denn einen gerechten Krieg ohne Verbrechen an der Menschlichkeit gebe es nicht – das sei eine Märchenerzählung. Deshalb sei Erziehung zum Frieden essenziell: Konflikte erkennen, benennen, aushandeln.
Prof. Birckenbach führte die fünf Bausteine der Friedenslogik wissenschaftlich weiter aus: Ächtung von Gewalt, Konflikttransformation, Dialogverträglichkeit, normorientierte Interessenentwicklung und Fehlerfreundlichkeit. In einem Workshop konnte zum Stichwort Dialogverträglichkeit unmittelbar erlebt werden, wie die Fähigkeit zur Empathie verloren geht, wenn man in die Rolle von Stärke, Dominanz und Besserwisserei schlüpft.
Kerem Schamberger prangerte die militärischen Anstrengungen zum Ausbau der „Festung Europa“ an und sprach von einem „Krieg gegen die Migration“. Die Kriminalisierung von Flüchtlingen und Helfern sei ein Verfall demokratischer Kultur und führe zur Verrohung der Gesellschaft. Dies verschleiere die politische Unfähigkeit zur dringend notwendigen sozial-ökologischen Transformation – das TV-Kanzlerduell sei ein trauriger Beleg dafür gewesen. Er erinnerte an Hannah Ahrendts „Recht auf Rechte haben“ und betonte, dass Flucht kein Verbrechen sei, sondern eine Tragödie!
Von der Juristin Albanese wurde die Tragödie des palästinensischen Volkes vor Augen geführt. Nach internationalem Recht seien sowohl das Massaker der Hamas als auch die auf Vertreibung bis hin zur Vernichtung zielende israelische Kriegsführung als Verbrechen einzustufen. Sie plädierte leidenschaftlich für eine Einforderung des Rechts und der Rechtmäßigkeit auf allen Ebenen. Wie eine Prophezeiung möge ihr Statement wirken, dass nur angeschlagene Staaten das Recht missachten. Ergänzend wurde von Baskin auf die Notwendigkeit von vertraulichen Verhandlungen mit der Fähigkeit zur Kompromissbildung hingewiesen.
Weitere Workshops
Verständliche Einblicke in die einseitig von den USA geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen und der dahinter liegenden sperrigen Militärlogik gab Simon Bödecker (Ohne Rüstung leben). Bei Sandra Klaft (DFG-VK, gewaltfreie Konflikttransformation) lernte man aktives Zuhören und trainierte die Fähigkeit, „sich gewaltfrei auf das vorzubereiten, was man sich vorstellen kann“. Thomas Rödl (DFG-VK) vermittelte in einem Trommel-Workshop Basics für den Pulsschlag von Bewegung und Aufbruch.
Die diesjährige Friedenskonferenz war erneut unerwarteten Repressalien ausgesetzt – dem Entzug der Fördergelder u.a. durch die Stadt München sowie der Kündigung und Nichtvermietung von Veranstaltungsräumen. Demokratischem Verständnis und Zivilcourage ist es zu verdanken, dass die Friedenskonferenz den - noch durchgeführt werden konnte. Die Resonanz bei den über 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war durchweg begeistert. Alle erlebten ein Wechselbad der Gefühle, denn der gedanklichen Auseinandersetzung mit militärischer Gewalt, Zerstörung und Vernichtung einerseits und friedenslogischem Engagement, Hoffnung und Solidarität andererseits konnte niemand ausweichen.
Alle Vorträge sind spannender und überzeugender als die kurze Zusammenfassung – Sie finden sie auf der Website der Friedenskonferenz. Das Orga-Team der Friedenskonferenz bittet weiterhin um Spenden auch von kleinen Beträgen, denn es klafft eine Deckungslücke. Weitere Infos und Dokumentation unter: friedenskonferenz.info
Text von Dr. Josef Raab und Dr. Hildegard Fischer sind Mitglieder der IPPNW München und haben bei der Organisation der Friedenskonferenz mitgewirkt.
Sicherheitskonferenz 2025
Als Ergänzung zur Friedenskonferenz und zur Anti-Siko-Demo hat eine kleine Gruppe aus der Friedensbewegung, die Projektgruppe „Münchner Sicherheitskonferenz verändern“ e.V. (MSKv), vor fast zwanzig Jahren den Dialog mit den Verantwortlichen der Sicherheitskonferenz aufgenommen. Als Folge der Gespräche mit dem damaligen Konferenzleiter Wolfgang Ischinger hat MSKv seit 2009 die Möglichkeit, Beobachter*innen zur SiKo zu entsenden. In diesem Jahr gibt Ralf Becker von „Sicherheit neu denken“ als einer der beiden Beobachter*innen seinen Eindruck wider:
„Wir haben eine historische Sicherheitskonferenz erlebt – der westliche Wertekonsens, 60 Jahre lang selbstverständliche Grundlage der Konferenz und der europäischen NATO-Sicherheitspolitik, ist zerbrochen. Die verstörende Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance in München ist als strategischer Angriff auf die deutsche und europäische Demokratie zu werten – mit dem Ziel, durch bewusste Spaltung Deutschlands und Europas die internationalen Spielräume der USA zu erweitern. Dass die USA gleichzeitig die Ukraine und Russland zur Beendigung des Ukrainekriegs an den Verhandlungstisch zwingen, ist für Europa ein Glücksfall. Diesbezüglich zeigen die USA Führungsstärke, die europäischen Politiker*innen abgeht. Tragisch daran ist, dass die USA 2008 gegen den Willen Deutschlands und Frankreichs das Ziel einer Aufnahme der Ukraine in die NATO durchgesetzt haben – eine wesentliche Ursache für den Ukrainekrieg – und nun von der Bevölkerung der Ukraine als Friedensengel begrüßt werden mit dem Verhandlungsangebot, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen.“
Side-Event von MSKv auf der Sicherheitskonferenz: „Auf dem Weg in ein Jahrhundert der Tolaranz: Nicht schießen! Gewaltfreie Deeskalation und Friedenspraxis des Globalen Südens“
Zum Side-Event waren die MSC-Teilnehmenden aus internationaler Diplomatie, Politik, Wirtschaft und Militär, Instituten und ThinkTanks sowie der Zivilgesellschaft eingeladen, sich mit einer gelingenden Praxis auseinanderzusetzen und zu lernen, wie auch in ihrem Verantwortungsbereich durch Empathie, Heilung und aktive Gewaltfreiheit, Konfliktlösung und Deeskalation erprobt werden können und humane, menschliche Sicherheit gelingt. Bei der Veranstaltung referierte Marie-Noëlle Koyara, ehemalige Verteidigungsministerin der Zentralafrikanischen Republik, über die Sektorreform von militärischer zu zivil-polizeilicher Sicherheitspolitik in der Zentralafrikanischen Republik. Dem zweiten Referenten, dem kenianischen Erzbischof Martin Kivuva Musonde war es 2022 nach den Wahlen in Kenia gelungen, die beim Regierungswechsel üblicherweise aufkommende Gewalt zu unterbinden. Beide legten eindrucksvoll dar, wie politische Entscheidungsstrukturen mit zivilen Sicherheitskonzepten angereichert werden können.
Text von Dr. Thomas Mohr, Vorsitzender von MSKv und Ralf Becker, Koordinator der Initiative „Sicherheit neu denken“ – mehr unter: sicherheitneudenken.de
Anti-Siko Demo
Auch in diesem Jahr fand neben der Anti-Siko Demo auch noch ene Demo von macht-frieden.org bzw. muenchen-steht-auf.de auf dem Königsplatz statt und eine Ukraine Demo unter dem Titel „Demokratie braucht Dich" auf dem Odeonsplatz statt. Auf Grund des Attentates am Donnerstag, war lange nicht klar, ob die Demos stattfinden konnten. Die Demo des Anti-Siko Bündnisses zog dann mit großer Präsenz der Bundespolizei durch die Stadt. Kurz stoppte der Demozug am Amerikahaus, weil die Polizei die zusammengeknoteten Seitentransparente bemängelte. Ein zweiter Teil dieser Demo bildete eine Menschenkette vom Stachus zum Marienplatz, so dass das Tagungshaus der Sicherheitskonferenz symbolisch umzingelt wurde.