Eine Welt – zwei Visionen
20. Okt 2019
Der Wunsch nach einer besseren Welt treibt sie an: Martin Pilgram (65), der sich seit seiner Jugend für eine friedlichere Welt einsetzt.
„Wenn man sich bei uns umschaut, sind viele alt geworden“, sagt Martin Pilgram und lacht. Er ist Diözesanvorsitzender der katholischen Friedensbewegung „Pax Christi“ und hat an diesem verregneten Vormittag in sein Haus in Gilching eingeladen. Heute ist er 65 Jahre alt und er engagiert sich noch immer für den Frieden auf der Welt. Seit den 1980er Jahren schon.
„In
meiner Anfangszeit war das Thema Nachrüstung ganz groß“, sagt er. Als
Kriegsdienstverweigerer ging
Pilgram damals gemeinsam mit hunderttausend anderen auf die Straße und
protestierte in der damaligen Hauptstadt Bonn gegen das atomare Wettrüsten.
Abrüstung
und Waffenexporte stoppen – das sind heute noch immer seine Kernanliegen. „Wenn
man Waffen in ein Krisengebiet liefert, werden sie dort sicher nicht in den Schrank
gestellt“, sagt er. „Wären wir nicht so laut geworden, dann würden
wahrscheinlich immer noch Rüstungsexporte direkt in den Jemen fließen.“ Seine
Devise ist: Man muss an einer Sache dran bleiben, um Erfolge zu erzielen. „Politik
ist nicht so starr, wie sie nach außen wirkt und Wähler sind auf jeden Fall ein
Druckmittel“, sagt er. „Beharrlichkeit ist das Wichtigste!“. Und das rät er
auch den jungen Leuten von heute, die sich die Klimafrage zum großen Thema
ihrer Generation gemacht haben. Pilgram findet es gut, wenn sich Organisationen
wie „Fridays for Future“ bilden, aber er ist auch der Meinung, dass es nicht
reiche, nur auf Demonstrationen zu gehen. „Es ist ein Mittel“, sagt er. Doch
gerade in der Umweltfrage müsse jeder auch seinen eigenen Lebensstil
hinterfragen.
Wenn
Pilgram mit seiner Frau in den Urlaub fährt, nimmt er möglichst den Zug. „Natürlich
beschäftigt mich der Klimawandel“, sagt er. Schließlich sei dieser auch ein
Auslöser von Konflikten und Fluchtbewegungen. Dass
die Jugend früher politischer war, glaubt er nicht. Eher war es eine Frage, wo
und in welchen Kreisen jemand verkehrte. Wenn er sich an seine Studienzeit in
Kaiserslautern erinnert, erzählt Pilgram von politischen Diskussionen und Polizeiaktionen
gegen Studenten. Als er dann nach München wechselte, dachte er: „Was ist denn
das für eine Uni? So sauber!“
Als Christ fühlt er sich verpflichtet, sich einzumischen – auch politisch. Eine Kirche, die einen Platz in der Gesellschaft will, müsse Stellung beziehen, findet Pilgram. Bei ihrem Engagement für Geflüchtete sei das gut gelungen. Pilgram, der bis zu seinem Ruhestand als Diplom-Mathematiker beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen gearbeitet hat, hat noch immer dieVision von einer besseren Welt: von einer friedlicheren und gerechteren. Wenn er es für angebracht hält, geht er auch heute noch auf die Straße. So wie zuletzt zwischen der amerikanischen und russischen Botschaft, als die beiden Staaten den INF-Vertrag über nukleare Abrüstung im Mittelstreckenbereich endgültig aufkündigten.
„WAFFEN WERDEN NICHT IN DEN SCHRANK GESTELLT.“
Doch seinen größeren Einfluss sieht er heute woanders: Seit drei
Jahren sitzt Pilgram für die Grünen im Gilchinger Gemeinderat. „Aus Versehen“
ist er dort reingerutscht, wie er sagt. Als Parteiloser stand er auf der
Nachrückerliste der Grünen. Als er dann tatsächlich zum Zug kam, trat er der
Partei bei und setzte auch gleich Akzente: Als eine seiner ersten
Amtshandlungen verfasste er ein eigenes Kapitel für das aktuelle
Landtagswahlprogramm – natürlich zum Thema Frieden.
Das Parallelinterview mit Daniel Körberle finden Sie im Downloadbereich. Das gesamte Heft können Sie hier downloaden.